Etatsituation in Tübinger Institutsbibliotheken (Seite 30)


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Eine Umfrage

Die TBI-Redaktion fand es lohnenswert, die Etatsituation der Institutsbibliotheken zu untersuchen, um zu sehen, wie diese mit steigenden Kosten und auslaufenden Sondermitteln zurechtkommen. Zwölf Fakultäts- und Institutsbibliotheken beantworteten den Fragebogen zur Situation ihres Etats. Den betreffenden Kolleginnen und Kollegen sei für ihre Mühe herzlich gedankt!

Den meisten Institutsbibliotheken steht ein eigener Etat zur Verfügung, der nicht mit einer anderen Kostenstelle geteilt werden muß. Dies ermöglicht der Bibliotheksverwaltung eine größere Kontrolle über die Mittelvergabe. Bei einem kleineren Teil der Bibliotheken werden die Bibliotheksausgaben gemeinsam mit den Verwaltungsausgaben verwaltet. In einem Fall gibt es eine Mischfinanzierung, indem ein Etat für die Zeitschriften vorhanden ist, Monographien aber aus Institutsmitteln beschafft werden.

Die Anteile der einzelnen Literaturarten unterscheiden sich stark von Bibliothek zu Bibliothek: Monographien machen zwischen 12 % und 58 % aus, wobei der Monographienanteil bei den Geistes- und Sozialwissenschaften höher ist; Zeitschriften liegen zwischen 20 % und 80 % des Etats. Der Anteil des Etats für den Buchbinder schwankt zwischen 7 % und 13 %.

Es gibt Fälle, in denen der reguläre Etat nicht ausreicht, um die laufenden Verpflichtungen zu decken. In einem Fall wurde daher regelmäßig überzogen, was die Misere freilich nur auf das nächste Haushaltsjahr verschob.

Entsprechend wird die Etatentwicklung beurteilt. Für ein Drittel ist die Situation gleichgeblieben oder hat sich gar verbessert. Zwei Drittel konstatieren eine verschlechterte Situation. Berufungs- und Sondermittel kamen in mehreren Fällen der Knappheit des Etats (die von einem Kollegen als "strukturelles Defizit" bezeichnet wird) zugute. Zwei Kollegen und Kolleginnen empfinden die Preissteigerungen bei Zeitschriftenabonnements als eine bedrückende Situation.

Als Ursache für diese Entwicklung wird vor allem die Kostensteigerung bei Monographien und bei Zeitschriften genannt. Die Monographien sind in den letzten vier Jahren um 20 - 36 % gestiegen, wobei die neue Umsatzsteuer bei Buchsendungen aus dem Ausland eine Rolle spielt. Bei Zeitschriften sind Steigerungen von 10 % und mehr pro Jahr keine Seltenheit.

Neben der Kostensteigerung wird eine Erhöhung des Bedarfs insofern festgestellt, als durch Neuberufungen vielfach die Zahl der abonnierten Zeitschriften steigt, was nach Auslauf der Berufungsmittel eine Höherbelastung des allgemeinen Etats bewirkt. Ebenso erhöhen die Anforderungen der Lehre in überlasteten Studiengängen den Bedarf.

Sondermittel hatten in der Vergangenheit offensichtlich eine wichtige Funktion, Etatschwierigkeiten und Lücken in der Ausstattung mit Literatur zumindest auszugleichen. Genannt wurde die Beschaffung von Mehrfachexemplaren für überlastete Seminare, der Aufbau eines Präsenzbestandes und die Möglichkeit, Engpässe in der Bezahlung von Zeitschriftenabonnements ausgleichen zu können. Ein Kollege aus einer Fakultätsbibliothek nennt Sondermittel für einen ganzen Studiengang "unverzichtbar", eine Kollegin aus einer anderen Fakultätsbibliothek wertet sie als "überlebenswichtig".

Berufungsmittel dienten vielfach dazu, die Lücken im normalen Etat auszugleichen. Bei einem kleineren Teil dienten sie (wie eigentlich vorgesehen) zum Aufbau neuer Schwerpunkte im Bestand.

Der Katalog der Kostendämpfungsmaßnahmen , die von den befragten Bibliotheken ergriffen wurden, ist umfangreich. Die Häufigkeit der Nennung ist in Klammern hinter dem Stichwort genannt:

- Kündigung von Zeitschriftenabonnements Als Kriterien wurden genannt: Verzichtbarkeit von Titeln, zu teure Titel, Arbeitsintensität (z.B. bei Loseblattsammlungen) und Vorhandensein des Titels in einer weiteren Tübinger Bibliothek. Beispiele: Eine Fakultätsbibliothek hat innerhalb von fünf Jahren 35 Titel mit einem Volumen von 60.000 DM gekündigt, eine Institutsbibliothek innerhalb der letzten zwei Jahre ca. 30 Titel im Wert von 16.000 DM. Im zweiten Fall wurde 1994 noch darauf geachtet, daß die gekündigten Titel wenigstens noch einmal im Tübinger Bibliothekssystem vorhanden sind. Bereits im Jahr 1995 ließ sich dieses Kriterium nicht mehr durchhalten, d.h. es wurden Abonnements von Zeitschriften in "Letztbesitz" gekündigt. In zwei Bibliotheken besteht der Grundsatz, bei Neubestellung von Zeitschriften im gleichen Umfang bestehende Abonnements zu kündigen.

- Bezug von Paperbacks statt gebundener Bücher (3). Dies stellt sich zwar langfristig als Bumerang heraus, da vielgenutzte Literatur dann neu beschafft bzw. neu gebunden werden muß, kurzfristig "lohnt" sich der Bezug von Paperbacks, da von den knappen Mitteln mehr Bücher beschafft werden können.

- Wechsel der Lieferanten (2). Die Unterschiede in den Lieferkonditionen bei ausländischer Literatur sind groß, da manche Firmen auf viele Verlage Rabatt geben, portofrei liefern und auch aus den USA liefern, was bei Verlagen mit Verlagssitz in Großbritannien und den USA billiger sein kann. Außerdem hilft das großzügige Rückgaberecht einiger Lieferanten, daß man Dubletten wieder zurückgeben kann und nicht gezwungen ist, sie einzuarbeiten.

- Abbestellung von Loseblattsammlungen Neben der Sparmaßnahme war es für eine Bibliotheksverwaltung positiv, so Arbeitszeit sparen und sinkende Hiwistunden ausgleichen zu können.

- Bestellung auf Autorenrabatt (2). Bei inländischer Literatur sind die Sparmöglichkeiten aufgrund der Buchpreisbindung gering. Hier gibt es nur die (eingeschränkte) Möglichkeit, wenn Institutsmitglieder Bücher zu Autorenkonditionen beziehen und weiterreichen, diesen Rabatt zu nutzen.

- Wechsel zu einem billigeren Buchbinder (1),

- Entscheidung, weniger wichtige Zeitschriften nicht mehr binden zu lassen (1).

- Einsparung bei der Monographienbeschaffung und Nichtbeschaffung von Mehrfachexemplaren (1). Dies ist meist keine bewußte Maßnahme - nur ein Kollege nennt diese beiden Punkte explizit -, sondern wird meist durch die Einschränkung der verfügbaren Mittel "automatisch" praktiziert.

- Bessere Bestellkontrolle , um Dubletten zu vermeiden (1).

Die Möglichkeiten zur Kostendämpfung sind nur eingeschränkt praktizierbar und nicht ausbaufähig. Also werden einschneidende Maßnahmen durchgeführt: Zeitschriftenabonnements werden gekündigt und Monographien nicht bestellt. Dies beeinträchtigt die Qualität von Lehre und Forschung beträchtlich, da Lücken im Bestand entstehen und die Literaturbeschaffung so zeitaufwendig wird.

Noch sind Bibliotheken die Regel, die eine Verbesserung bzw. keine Verschlechterung ihrer Situation feststellen. Dies wird sich ändern, wenn wie geplant die Mittel für Forschung und Lehre für 1996 um 25 % gekürzt werden sollen und wenn keine oder kaum mehr Sondermittel vergeben werden. Die langfristigen Folgeschäden dieser kurzfristigen Sparpolitik sind nicht mehr reparabel, da Bestandslücken in aller Regel nicht mehr geschlossen werden. Wo bleibt die Lobby in der Bildungspolitik, die öffentlich auf diesen Sachverhalt aufmerksam macht?

Jürgen Plieninger
Tel. 6141


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TBI 1/1996